„Geht und machet zu Jüngern …“ (Matthäus 28,19).
Albanien ist ein Land, das über Jahrhunderte von Kommunismus, Fremdherrschaften und vielfältigen kulturellen Einflüssen geprägt wurde. Um die Albaner und ihre Kultur zu verstehen, braucht es Zeit, Geduld und eine offene, wertschätzende Haltung. Das Volk der Shqiptarë, wie sie sich selbst nennen, hat viele Phasen von Unterdrückung erlebt. Vielleicht wirken sie deshalb auf Außenstehende manchmal skeptisch, reserviert oder gar arrogant. Doch wer ihnen freundlich begegnet, Interesse zeigt oder ihre Sprache spricht, wird schnell erleben: Viele Albaner sind warmherzige, gastfreundliche und gesellige Menschen.
Glaube, Aberglaube oder Tradition?
Religiös gesehen bezeichnen sich rund 60 % als Muslime, daneben gibt es katholische, orthodoxe und kleinere Glaubensgemeinschaften. In der Realität spielt Religion für viele jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Zwar ist es nach Jahrzehnten kommunistischer Unterdrückung heute wieder wichtig, ‚irgendetwas‘ zu glauben, doch häufig bleibt es bei Tradition, Aberglauben oder magischen Praktiken. Glücksbringer, Amulette oder Rituale beim Hoxha (eine geistliche Autoritätsperson, Anm. der Redaktion) sollen Schutz und Heilung bringen. Religiöse Zugehörigkeit wird gesellschaftlich akzeptiert – entscheidend ist nicht so sehr, was man glaubt, sondern dass man überhaupt glaubt.
Wachstum beginnt mit Jüngerschaft
In diesem Umfeld stellt sich die Frage: Wie sieht evangelikaler Gemeindebau in Albanien aus? Aus unserer Sicht lässt sich das mit einem Wort zusammenfassen: Jüngerschaft. Gemeindebau hat immer mit Menschen zu tun – mit ihren Fragen, ihrer Suche und ihren Herzen. Jesus selbst lehrt: Wenn ihr irgendwo offene Menschen findet, dann bleibt dort und investiert euch. Das ist nicht primär an ein bestimmtes Programm oder Gebäude gebunden, sondern erfordert Flexibilität und die Bereitschaft, Gottes geöffnete Türen zu sehen und hindurchzugehen. Gemeinde wächst nicht durch Veranstaltungen, sondern durch Menschen, die Jesus nachfolgen – lebendige Steine, die er zu seinem Leib fügt.
Teil des Leibes werden
Ein Beispiel: In einem Restaurant lernten wir einen jungen Mann kennen. Schon im ersten Gespräch bemerkten wir seine Offenheit für den Glauben. Deshalb suchten wir immer wieder die Begegnung mit ihm. Über Monate hinweg sprachen wir über das Evangelium, darüber, was es heißt, Jesus persönlich kennenzulernen und ihm nachzufolgen. Vor einiger Zeit durften wir ihn schließlich taufen. Bis dahin war er kaum in einem Gemeindegebäude gewesen, er nahm nicht regelmäßig am Gottesdienst teil. Aber es wurde klar: Er war ein lebendiger Stein geworden, Teil des Leibes Christi.
So verstehen wir Gemeindebau in Albanien: nicht als Zahlenwachstum durch Besucher, sondern als geistliches Wachstum durch Jüngerschaft. Nur wenn Menschen zu Nachfolgern Jesu werden, entsteht eine Gemeinde, die bleibt – gegründet auf lebendige Steine, die Christus selbst zusammenfügt.
Tabea und Esra Blaser